Von ersten Dates lesen wir zu Genüge. Wie soll ich mich verhalten? Was soll ich anziehen? Welche Location soll ich wƤhlen? Über was spreche ich, und über was bitte nicht? Und überhaupt, wer bezahlt eigentlich die verdammte Rechnung? Wer recherchetechnisch ein wenig Geduld aufbringt, hat gute Chancen, mit einer 1A Anleitung zu seinem ersten Date anzutreten. Aber was ist mit dem zweiten Date? Was, wenn das erste Date so verlief, das beide sagen ā€žWir wollen uns wiedersehen!ā€œ ? LƤuft ab dem zweiten Date alles wie von allein? Da mein letztes zweites Date schon ein wenig zurück liegt, bediene ich mich großzügig am Beispiel meiner Freundin Sabrina. Das gibt der Geschichte den gewissen neutralen und hobbypsychologischen Touch. Also los.

Sabrina hat ein Date

Endlich auf einer seriƶsen Dating-Plattform angemeldet, spürt Sabrina einen netten jungen Mann auf. Der Mann, nennen wir ihn Matthias, ist 34, und wirkt wie ein ganz normaler Mann. Nicht wie einer von denen, die nach ein paar Treffen noch ein blutiges Ass aus dem Ƅrmel ziehen. Also verabreden sich Sabrina und Matthias und gehen essen. Am Ende des Abends sitzt Sabrina grinsend auf ihrem Sofa, trinkt ein Glas Wein, und freut sich. Es war ein schƶnes Date mit einem tollen Mann. Wiedersehen wollen sie sich auch, haben sie gesagt. Bis hier hin alles unkompliziert. Selbst die kritische Phase des ā€žwer-schreibt-wem-wannā€œ haben sie mit Bravur gemeistert. Keine Komplikationen, keine MissverstƤndnisse. Auch keine SMS im Sekunden-Rhythmus, aber das muss ja auch nicht sein. Eine Woche spƤter verabreden sie sich erneut – ein Kino-Date.

Sabrina hat ein zweites Date

Um sieben Uhr morgens juckt es mir in den Fingern. ā€žErzƤhl! Wie war’s!ā€œ schreibe ich Sabrina. Die Antwort klingt abgeklƤrt. Es war schƶn, aber sie denkt nicht, dass sie Matthias nochmal wiedersehen wird. Verwirrtheit macht sich breit – meinerseits. Schƶn? Nicht wiedersehen? Das passt doch nicht zusammen. Sabrina erklƤrt sich: Es war schon schƶn, aber jeglicher auch noch so kleiner AnnƤherungsversuch blieb aus. Deswegen denkt Sabrina, dass es das jetzt war. Aber warum? Das Date ist immer noch genau das, was es eben ist: ein zweites Date. Kein fünftes oder zehntes, nein, ein ZWEITES. ā€žAber sollte sich da nicht schon irgendwie abzeichnen, dass man sich wirklich gut findet?ā€œ fragt sie mich. Gute Frage. Let’s anlalyze.

Was bedeutet ein zweites Date?

Wenn sich zwei Menschen, nachdem sie sich zum ersten Mal getroffen haben beschließen, sich wiederzusehen, heißt das zumindest schon mal eines: Sie finden sich nicht abscheulich. Die Bandbreite an Gründen, sich ein zweites Mal mit einer Person zu treffen, ist allerdings weitaus vielfƤltiger, und reicht von ā€žgeht schon, kann man nochmal treffenā€œ über ā€žfinde ich wirklich interessant, mƶchte ich besser kennenlernenā€œ bis hin zu ā€žich bin hin und weg, ich muss diese Person wiedersehenā€œ. In den seltensten FƤllen weiß jedoch der eine vom anderen, in welche Kategorie das gegenüber dieses zweite Treffen steckt.

Erwartungshaltungen

Unsere Erwartungshaltung ist wohl das, was uns in zwischenmenschlichen Beziehungen am meisten im Weg steht. Sie hindert uns daran, unvoreingenommen auf einen Menschen zu oder in eine Situation hinein zu gehen. Oft erwarten wir (wenn auch nicht immer bewusst) auf der Suche nach dem richtigen Partner, das sofortige Eintreffen riesiger SchmetterlingsschwƤrme, sobald wir auf den Anderen treffen. Beim zur Tür bringen müssen scheue Blicke ausgetauscht werden. Im Kino muss geknutscht werden, oder zumindest sollten sich HƤnde irgendwann aus Versehen berühren. Man sollte deutlich sagen, ob man sich wiedersehen will, und überhaupt – wo ist eigentlich die Euphorie? Die muss auch da sein. Das Problem bei all diesen Erwartungen, die wir insgeheim an unser Gegenüber und die Situation stellen, ist, dass sie meist nicht bewusst entstehen. Trotzdem sind sie da und verursachen ein kaum merkbares, aber doch existentes schlechtes Gefühl, das uns unsicher macht. Kann das die wahre Liebe sein, wenn ich nach dem zweiten Date immer noch nicht aufeiner rosa Puffwolke schwebe?

Hollywood lebt es vor

Wer keinen anderen Ausweg kennt, schiebt es einfach auf Hollywood. Hollywood ist schuld am Magerwahn, Hollywood ist schuld am verfälschten Frauen- und Männerbild und JA verdammt: Hollywood ist schuld an unserer verqueren Vorstellung von der wahren Liebe. Die Liebe ist von Anfang an immer mit etwas Großem verbunden. Große Gefühle, große Dramen, die am Ende in großen Gefühlen enden, große Tragödien. Und wir wollen das auch so. Wir wollen die volle Bandbreite der Gefühle. Zumindest die Frauen. Und wenn sie das blöde Herzklopfen nicht gleich bekommen, stampfen sie wie kleine Mädchen mit dem Fuß auf den Boden und schmollen.

Zurückschalten spart Kraft

Der Haken am Online-Dating ist der, dass wir Menschen nicht mehr unvoreingenommen gegenübertreten. Der Mann oder die Frau mit der wir uns treffen ist bereits beim ersten Aufeinandertreffen ein potentieller Partner. Draußen im echten Leben ist das nicht so. Wenn ich im Freundeskreis einen Mann kennenlerne, und mich gut mit ihm verstehe, ist er meist zunächst einfach nur das: Ein Mann mit dem ich mich gut verstehe. Vielleicht verliebe ich mich in ihn, vielleicht auch nicht. Frage ich mich in einer solchen Situation auch sofort, ob es ok ist, dass wir nicht ausgemacht haben, wann wir uns das nächste Mal sehen? Natürlich ist es nicht einfach, die Online-Situation dem echten Leben anzupassen. Aber sollten wir nicht hin und wieder versuchen, das zu tun? Um unser eigener Wohl Willen? Einfach mal ein paar Gänge zurückschalten und die Situation genießen?

Sabrina will Antworten. Was passiert nun nach so einem zweiten Date? Hier meine wohl überlegte Antwort: Ich habe keine Ahnung. Jeder Mensch ist anders, jedes Menschenpaar ist anders, jede Situation ist anders. Einen Menschen, den wir in unserem Leben zweimal getroffen haben, kennen wir nicht. Wir kƶnnen nicht einschƤtzen, mit welchem Hintergrund er wie handelt, wie er tief in sich drin fühlt und denkt. Und noch viel wichtiger ist es, sich bewusst zu machen: Der Andere weiß das auch über uns nicht. Du hƤlst dich zurück, aus Angst verletzt zu werden, wunderst dich aber, dass von ihm nichts kommt. Vielleicht ist er ja in genau der gleichen Situation. Frei nach dem Motto ā€žalles kann, nichts mussā€œ sollten wir viel ƶfter an uns selbst denken und merken, dass es uns, je mehr Druck wir auf uns selbst ausüben, eher schlechter als besser geht. In der Theorie wissen wir das alle – jetzt geht’s an die Umsetzung.