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Der Weg vom Frust zur Lust

Laura, 17. Januar 2023
Der Weg vom Frust zur Lust

>> Nun bin ich wirklich lange genug Single. Ich will endlich mal wieder eine anständige Beziehung. Ich glaube manchmal, ich werde alleine sterben, weil niemand mich will. Wenn ich mich dann mal öffne werde ich enttäuscht. Liegt es am Aussehen? Am Charakter? Mache ich was falsch? <<

Könnte fast aus meinem Mund stammen. Ist aber nicht so. Bis dato gab es hier viel aus Frauensicht zu lesen. Das ändert sich nun, denn heute gibt es die Geschichte von Michael. Die Geschichte eines Mannes, der tief im Frustsumpf des Single-Daseins steckt.

 

Ein ungewöhnlicher Start

Michael und ich sind Freunde. Noch nicht allzu lange. Aus unseren zwei Dates wurde nichts. Ich gebe zu, es war meine Schuld. Das Herzklopfen lässt sich leider nicht beeinflussen. Trotzdem mag ich ihn, und nun testen wir die Freundschaftssache. Michael ist ziemlich geknickt, als ich ihm sagte, dass er und ich wohl kein Paar werden würden. Ich habe mir jetzt diese Ehrlichkeitsnummer angewöhnt. Wenn ich mich schon über all die Männer ärgere, die sich einfach ohne ein Wort aus dem Staub machen, muss ich wenigstens selbst mit gutem Beispiel voranschreiten. Nach ein bisschen Dramatik, Kontakt ab- und wieder angebreche sind wir nun was wir sind. Freunde. Freunde hören einander zu, sind füreinander da und vor allem: Waschen Köpfe wenn nötig. Und bei Michael ist es überfällig.

Situationsanalyse

Mein wunderbares Feingefühl sagt mir, dass Michael mal reden muss. Zudem schickte er immer kleine, scheinbar beiläufige Signale, die darauf schließen lassen . Also frage ich nach. Was ist los? Und dann schießt es nur so aus ihm heraus. Gut, dass ich gefragt habe. Seine Erzählungen schreiben die Worte „frustrierter Single“ in Neonbuchstaben auf seine Stirn. Überzeugt davon, dass er die Suche nach einer passenden Frau auch eigentlich aufgeben könne, da er sie sowieso niemals finden würde, erzählt er mir von seinem Leid. Ich höre zu. Gedanklich hake ich ab – Situationen aus meinem Leben. Kenne ich alles. Hatte ich alles. Alles schon erlebt, alles schon gefühlt. Ich fühle mich etwas erhaben, da ich endlich mit voller Überzeugung sagen kann, dass ich über all das schon hinweg bin. Ich schlüpfe in meine Lieblingsrolle als psychologischer Berater und analysiere: Dem Mann ist nicht zu helfen. Der steckt zu tief drin. Oder soll ich mal meine Spezialtechnik probieren? „Hardcore Kopfwasching“.

Psychoanalyse

Ich gebe es zu, ich werfe gerne mit Floskeln um mich. Ich analysiere gern – am liebsten meine Freunde. Natürlich mit dem Hintergrund, ihnen zu helfen – nicht wissend ob ich das auch tatsächlich tue. Ich habe das Bedürfnis, Michael den Kopf zu waschen. Ihn wachzurütteln und ihn dazu zu bringen sich selbst anzusehen. Wie er da sitzt wie ein kleines Häufchen in Selbstmitleid versinkendes Elend. Ich kann es gar nicht mit ansehen. Vor allem nicht, weil ich schon weiter bin. Ich bin über den Frust hinaus und weiß, dass wie so oft klischeehaft gesagt wird „alles gut wird“. Also erzähle ich ihm meine Geschichte. Ich erzähle ihm von allen Enttäuschungen. Ich erzähle ihm, wie ich wirklich fest davon überzeugt war niemals einen Partner zu finden. Ich erzähle ihm von meiner Online-Dating Zeit. Von all den Männern, die mich einmal getroffen, und sich dann aus dem Staub gemacht haben. Ich habe lange Zeit sehr an mir gezweifelt. Was soll man auch anderes tun? Schwierig, das alles mit einem Lächeln hinzunehmen. Aber es ist ein Lernprozess. Mit jedem Date merke ich, dass ich stärker werde. Vor allem werde ich gelassener. Und jetzt? Jetzt genüge ich mir selbst und habe endlich meine Verbissenheit abgelegt. Ich strahle nicht mehr aus „Oh Gott, bitte geh mit mir aus, ich bin verzweifelt auf der Suche“. Stattdessen strahle ich. Und genau hier liegt Michaels Problem. Welche Frau will sich an einen Mann binden, der Frust ausstrahlt? Mit dem kann doch was nicht stimmen, oder? Und das sage ich auch zu Michael: Du wirst dann eine Frau finden, wenn du selbst 100% bist, und die Frau ein wunderbares Extra.

Los, geh spielen!

Themen können totgeredet werden. Irgendwann hört dir keiner mehr zu. Also handeln wir statt dessen. Michael muss ein bisschen üben. Sich mit Frauen treffen, einfach so, ohne große Erwartungen. Ein bisschen entspannter werden. Das Online-Dating ist ein wunderbarer Spielplatz. So viele Menschen, die alle auf der Suche nach irgendetwas sind. Auch wenn hier vielleicht nicht jeder seine große Liebe findet, bietet es doch so viele Möglichkeiten, etwas aus sich raus-zu-kommen, sich selbst wieder ins Spiel zu bringen. Also melden wir Michael an. Ein schickes Bild, ein paar nette Worte und los geht die Suche. Er murrt. Da schreibt ihm niemals eine. Ich schimpfe und erkläre, dass die passende erste Nachricht an eine Frau zwar gut durchdacht sein sollte, es aber keine halbstündige Entwurfsphase benötigt. Knackig, frisch, interessant soll es sein. Einfach mal ein bisschen ausprobieren. Und vor allem: Nicht entmutigen lassen. Etwas Oberflächlichkeit lässt sich in der Online-Welt nicht verleugnen. Da muss Mann wie Frau drüber stehen. Also macht sich der für immer alleine bleibende Michael auf die Suche.

Für immer allein bis heute Nacht

Mein erstes Date nach erfolgreicher Online-Dating-Registrierung hatte ich nach zwei Monaten. Der für immer alleine bleibende Michael ist da etwas zackiger. Eine Woche später hat er das erste Date abgegriffen. Respekt! Mir fällt die Kinnlade auf den Frühstückstisch als ich am Sonntagmorgen Folgendes lese: „Bin jetzt wieder allein, wollen wir telefonieren?“ Allein? So allein war Michael wohl in dieser Nacht nicht. Hat er sie wirklich mit nach Hause genommen? Ja gar eine wilde Nacht verbracht? Fassungslos lausche ich seinen Ausführungen. Ich bin überrascht und gleichermaßen beeindruckt. Hat sich gut geschlagen mein Schützling. Er klingt entspannt, viel gelassener. Ich frage ihn nochmals, ob er übrigbleiben wird. Zwar kleinlaut aber doch hörbar muss auch er sich eingestehen: Das wird wahrscheinlich nicht passieren.

Dieses „mit sich selbst ins Reine kommen“ ist eine fiese Angelegenheit. Keiner kann es erzwingen, weder Frau noch Mann. Es passiert irgendwann von alleine. Natürlich kann man sich nicht einfach zurücklehnen und warten bis das Glück einen besucht. Wir werden aktiv, wir gehen aus, ver- und entknallen uns, und finden irgendwann unser Glück. Ich – und Michael auch.

 

© Yvonne Bogdanski – Fotolia.com

 

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