Wer sich mit der Liebe und ihren komplexen Nebenphänomenen beschäftigt, kommt zur Zeit an einem Buch kaum vorbei: Richard David Prechts Bestseller „Liebe – ein unordentliches Gefühl“. Also landete das Liebes-Epos schließlich auch auf meinem Schreibtisch. Und beim Lesen stellte sich dann bei mir tatsächlich ein verwirrendes, unordentliches Gefühl ein. Allerdings nicht so, wie es der Buchtitel meint. Erst nach der Lektüre eines weit besseren Buches eines anderen Autors wurde mir klar, warum: Prechts Buch ist wie ein aus Hecken geschnittenes Labyrinth mit Verwirr-Garantie: Gelegentlich sieht man den Kopf des Autors an einer Stelle herausragen und er ruft: „Hier ist die Wahrheit“. Kämpft man sich dann mühsam zu dem Punkt vor, hat sich Precht schon wieder aus dem Staub gemacht, reckt den Kopf anderswo übers Gestrüpp und ruft: „Ätsch, war nicht so gemeint. Hier ist die Wahrheit.“ So gehts fort und fort und man wird vom Autor durchs Buch gelockt und getrieben, von einer Schein-Erkenntnis zur nächsten.
Der Wahnsinn hat Methode, denn schon „Wer bin ich, und wenn ja, wie viele?“ funktioniert auf diese Art – jedoch charmanter und amüsanter. Und man freut sich, dass überhaupt wieder einmal jemand das weite Thema der Philosophie aufgreift und es dem normalen Leser schmackhaft zu machen versucht.
Bei der Liebe sieht es anders aus. Da sind wir alle in gewisser Weise „Experten“, und einer, der als Buchautor überzeugen will, muss wirklich etwas bieten, nicht nur Luftgitarre spielen und Scheingefechte mit nach eigenem Gusto selber zusammengezimmerten „Gegenpositionen“ ausfechten. Gefragt ist also ein Buch, das nicht verwirrt, sondern Klarheit schafft.
Und dieses kam kurz nach Prechts Liebesschinken zu mir. Es ist Christian Schuldts „Der Code des Herzens“. Schuldt beschreibt das Phänomen Liebe darin stringent aus der Sicht der Soziologie als ein System der Kommunikation, aufgebaut aus in ihrer Zeit jeweils allgemeingültigen, jedoch wandelbaren „Liebescodes“. Muster der Kommunikation und Interaktion, die dem anderen und einem selber signalisieren „Ich liebe dich“ bzw. „Ich werde geliebt“. Auf Spiegelfechtereien mit anderen Wissensdisziplinen wie der Evolutionsbiologie oder der Psychologie lässt er sich nicht ein.
Wo Precht sich kapitelweise in Pseudo-Kontroversen mit scheinbar anderen Positionen verzettelt, gibt Schuldt nur einen nüchternen und launigen Abriss der anderen Wissensdisziplinen, lässt sie gelten, geht aber mit seiner klugen Analyse darüber hinaus. Insofern hat Schuldts Verlag Recht, wenn er das Buch im Klappentext in eine Reihe mit Niklas Luhmanns inzwischen klassischer soziologisch-philosophischer Liebesdurchleuchtung „Liebe als Passion“ stellt.
Jetzt kommt das schwer Verständliche: Während Prechts Buch über die Liebe seit Monaten auf den Bestsellerlisten herumwabert, wurde das 2004 erschienene Buch von Christian Schuldt, der fast gleich alt ist wie Precht, und mindestens so fotogen, kein Bestseller. Schön aufgemacht, als Hardcover, kostet es eigentlich 18,90 Euro, genausoviel wie Prechts Erguss. Bei amazon konnte ich es kürzlich aber zum Schleuderpreis von 3,95 Euro bestellen. Ich hätte dafür allerdings auch gern den vollen Preis bezahlt. Der Gegensatz Precht – Schuldt ist leider ein Beispiel dafür, dass in so einem dicht besetzen Markt eine perfekte Marketing-Maschinerie entscheidender für den Erfolg ist, als der Inhalt. Schade, finde ich.
Mein Tipp: Machen Sie sich ein wenig unabhängig von Bestsellerlisten. Die Bücher, die darauf landen, sind nicht immer die besten Ihrer Art.
So, und nun noch die kurze Liste der Bücher zum weiten Thema Liebe, die ich auf eine (fast) einsame Insel (sie heißt Nusa Lembongan) – auf der ich zur Zeit tatsächlich bin – mitgenommen habe:
- Christian Schuldt, Der Code des Herzens
- Anne West, Der Venus-Effekt
- Osho, Beziehungsdrama oder Liebesabenteuer
- und schließlich noch mein eigenes „Sex nach sechs Stunden“, letzteres um gelegentlich daraus etwas abzukupfern und hier zu posten 😉
Mehr von Armin Fischer
Mehr zu allen Themen rund um Flirt, Verliebtheit, Liebe, Romantik, Eifersucht, Sex, Hormone usw. im kleinen Flirt Tutorial.